Steigende Energiepreise: Rechtsextremisten mobilisieren in Sachsen zu Protesten

Dresden. Folgen auf die Corona-Proteste nun die Demonstrationen gegen steigende Energiepreise? In den sozialen Netzwerken haben die Freien Sachsen bereits mit der Mobilisierung begonnen. So heißt es auf dem Telegram-Kanal der Rechtsextremisten, dem knapp 150.000 Menschen folgen: „Frierende aller Länder, vereinigt euch: Es ist Zeit für den Energieprotest“ – damit wird sogar eine Anleihe beim Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels genommen.

Die Freien Sachsen werden seit mehr als einem Jahr vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Seither steht die Kleinstpartei unter nachrichtendienstlicher Beobachtung. Der Vorstand setzt sich laut LfV überwiegend aus „namhaften sächsischen Rechtsextremisten“ zusammen. Die Freien Sachsen hatten maßgeblich die Corona-Proteste zum Jahreswechsel 2021/22 forciert und bestimmt.
Städtetag rät zu niedrigen Raumtemperaturen und will Warmwasser abdrehen

Aktuell stehen die steigenden Energiepreise im Fokus. Auslöser der Aufrufe ist jetzt ein Arbeitspapier des Deutschen Städtetages: Der kommunale Dachverband hatte in dieser Woche eine Liste mit Möglichkeiten zum Energiesparen erstellt. Demnach sollten die Städte und Gemeinden beispielsweise in der Nacht die Ampeln, die Straßenlampen und die Außenbeleuchtung von öffentlichen Gebäuden abschalten.

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Darüber hinaus wird empfohlen, während der kommenden Heizperiode die Raumtemperatur in Schulen, Turnhallen, Verwaltungen und anderen öffentlichen Einrichtungen zu reduzieren, das Warmwasser in Schulen, Turnhallen und Sportplatz-Häusern abzustellen sowie Luftreinigungsgeräte und Klimaanlagen vom Strom zu nehmen. Öffentliche Saunen könnten teilweise schließen und auch die Wassertemperatur in Schwimmbädern gesenkt werden. Zudem sollten die kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder verstärkt ins Homeoffice geschickt werden.
Freie Sachsen rufen zu Montagsspaziergängen auf

Angesichts dieser Krisenszenarien versuchen die Freien Sachsen nun, abermals zu mobilisieren – und von den Ängsten wie auch vom Frust vieler Menschen über die steigenden Energiepreise zu profitieren. Auf dem Online-Kanal der Rechtsextremisten ist unter anderem von einem „Kampf gegen die eigenen Bürger“, von „irrsinnigen Sanktionen“ gegen Russland und von „Öko-Extremisten“ die Rede.

Nach eigenen Angaben seien unter anderem in Chemnitz, Leipzig und Dresden, im Erzgebirge, in Mittelsachsen und in der Lausitz wieder sogenannte Montagsspaziergänge unterwegs. „Denn jetzt gilt es, die Corona-Proteste mit den dringend notwendigen Energie-Protesten zu vereinen“, rufen die Freien Sachsen zum „Widerstand“ auf.

Verfassungsschutz: Freie Sachsen wollen von Abstiegsängsten profitieren

Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz verfolgt diese Entwicklung genau. „Es ist ein wesentlicher Teil ihrer Strategie, solche Themen aufzugreifen, die breite Teile der Bevölkerung tangieren. Dazu gehören insbesondere die sich aktuell abzeichnende Energiekrise sowie die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der bereits grassierenden Inflation“, heißt es in einer aktuellen Lageeinschätzung über die Freien Sachsen. Das Kalkül sei, so wird weiter analysiert, „von den sozialen Abstiegsängsten der Bürger“ zu profitieren.

LfV-Präsident sieht „Vernetzungsplattform von Rechtsextremisten“

Bereits während der Corona-Proteste war von den Verfassungsschützern gewarnt worden: Die Rechtsextremisten würden in der Öffentlichkeit durch lokale Organisatoren agieren, die den meisten Menschen unverdächtig erschienen. Auf diese Weise sei es gelungen, „eine Anschlussfähigkeit an nicht-extremistische Bevölkerungskreise“ und einen großen Einfluss auf die Demonstrationen herzustellen. LfV-Präsident Dirk-Martin Christian bezeichnete die Kleinstpartei als „Vernetzungsplattform für Rechtsextremisten“, die den Unmut ausnutzen wolle.

Polizei muss Versammlungen absichern

Die Polizei hat ebenfalls schon erste Energiepreis-Proteste registriert, die sich allerdings mit Komplexen wie „Krieg“ und „Klima“ mischen, heißt es. „Das Versammlungsgeschehen im Freistaat ist gegenwärtig von einer Gemengelage unterschiedlicher Themenbereiche geprägt“, stellt Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa fest.

Die sächsische Polizei werde auch weiterhin das Grundrecht auf Versammlungen schützen und der Lage angepasst „auf Entwicklungen und Störungen reagieren“. Mögliche Proteste im Zusammenhang mit der Energieversorgung würden dabei keine Ausnahme bilden: „Versammlungen werden im Rahmen polizeilicher Einsätze abgesichert, wenn dies erforderlich ist.“ Laut dem Landeskriminalamt gibt es allerdings „derzeit kein Straftatenaufkommen, welches unmittelbar mit der Thematik im Zusammenhang steht“.
Polizeipräsident: Energiekrise könnte auf die Straße getragen werden

Diese Entwicklung schien sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet zu haben. Kubiessa hatte bereits vor gut zwei Monaten gegenüber der LVZ gesagt, dass er mit einer wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung rechne, sollten die Energiepreise weiter steigen. Deshalb könnte es – ähnlich den Corona-Protesten – zu erneuten Demonstrationen kommen.

„Es ist zu erwarten, dass die Energiekrise ebenfalls auf die Straße getragen wird. Nach den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen könnte dies das nächste große Thema sein“, so Kubiessa. Dabei stehe für ihn fest: „Rechtsextremisten werden erneut versuchen, die Unzufriedenheit für sich auszunutzen.“ Die Polizei werde solche Bestrebungen aber „sehr genau im Auge behalten“, hatte der Polizeipräsident angekündigt.